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Mühlenregion Sachsen: Technik, Tradition und Romantik

© Andreas Schmidt
Obermühle Bad Düben zum Mühlentag - Foto: Andreas Schmidt

Bereits in den vergangenen Jahrhunderten waren Mühlen ein wichtiger Teil des täglichen Lebens der Menschen in und um Leipzig. Sie galten dabei nicht nur als Arbeitsplatz und Ort zur Nahrungsherstellung, sondern gleichzeitig auch als Treffpunkt zum gegenseitigen Austausch. Nur wenigen Besuchern ist dabei bewusst, dass sich allein im Leipziger Umland über 100 historische Mühlen befinden.

Technikwunder vergangener Zeiten

Was heutzutage hochmoderne Computer und Rechenzentren für die Menschheit sind, waren vor 2000 Jahren die Mühlen – Technikwunder, die den Arbeitsalltag revolutionierten.

Mühlen zählen zu den ältesten durch Naturkraft betriebenen Maschinen der Welt und galten lange Zeit als unverzichtbar. In ganz Deutschland konnte man die Mühlen bestaunen – so auch in der Region Leipzig. Unterschieden wurde dabei zwischen Wasser- und Windmühlen.

Die Geschichte der Mühlentradition geht zurück bis in das Jahr 1200 v. Chr., als erstmals die künstliche Bewässerung durch Wasserschöpfräder in Mesopotamien ihren Einsatz fand. Als die Menschen schließlich anfingen, ihr eigenes Getreide anzubauen, entwickelte sich auch die Notwendigkeit zur Zerkleinerung dieser Körner. Anfangs geschah dies mit „Reibsteinen“. Auch diese Technik wurde in Ägypten nachgewiesen. In Europa revolutionierten folglich die Römer den Einsatz dieser Technik. So beschreibt u.a. Vitruv, ein römischer Architekturschriftsteller, im Jahr 24 v. Chr. die erste Wassermühle mit Steinmahlgang. Durch das römische Volk sprang diese Technik schließlich auch auf deutschen Boden über.

Im Mittelalter bewahrten zunächst die Mönche das historische Wissen über die Mühlen für sich – sie prägten so das Mühlenwesen bis in die heutige Zeit. Im Laufe der Jahre entwickelte sich dieses Wissen weiter: Wo Mühlen anfangs nur zum Mahlen von Getreide eingesetzt wurden, wurden sie bald Teil einer Vielzahl technischer Arbeitsleistungen.

Mit der Industrialisierung verloren die Wasser- und Windmühlen zunehmend an Bedeutung und wurden vor allem durch die Dampfmaschine verdrängt. Im Jahr 1957 verabschiedete der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer das sogenannte Mühlenstilllegungsgesetz, welches allen Besitzern von Mühlen und Müllern eine Prämie gewährte – allerdings unter der Auflage, die Mühlen 30 Jahre lang nicht mehr einzusetzen. In Folge dessen wurden die meisten Mühlen endgültig stillgelegt. Innerhalb von knapp 100 Jahren sank die Anzahl der Mühlen in Deutschland von 70.000 auf 6.000.

Eine neue Blütezeit

Inzwischen werden in ganz Deutschland wieder Mühlen saniert oder in Betrieb genommen und begeistern regelmäßig bei Veranstaltungen ihre Besucher.

Die älteste Form von Mühlen ist die sogenannte „Bockwindmühle“ – auch bekannt als „Deutsche Mühle“. Diese Art kommt sehr häufig in Nordsachsen vor: Die Bockwindmühle „Döbler“ bei Löbnitz zählt zu den ältesten der Mühlenregion. Bei dem Typ wird der gesamte Mühlenkörper mit einem Sterz bei wechselnder Windrichtung immer in den Wind gedreht.

Auch wenn die ursprünglichen Mühlen heutzutage größtenteils durch moderne Großmühlen verdrängt wurden, gelten sie noch immer als historische Zeitzeugen vergangener Jahre.

„Thomas ging barfuß mit ´ner Nonne über’n Anger“ - Leipzig als Mühlenstadt

Dieser Spruch galt lange Zeit als Eselsbrücke, um die Namen der Mühlen in Leipzig zu kennen. Auch in der Stadt galten die Mühlen bis in das 19. Jahrhundert als bedeutende Antriebskraft, da Wasser die wichtigste Energiequelle war. Zudem wurde mit der Regulierung der Wehre in der Stadt ein gewisser Schutz vor Hochwasser gewährleistet.

Die älteste Mühle der Stadt ist die Barfußmühle, die im 10. Jahrhundert in Verbindung mit der Burg Libzi entstand. Um den Betrieb zu ermöglichen, wurde ein Mühlgraben auf der heutigen Friedrich-Ebert-Straße angelegt, welcher schließlich in die Parthe mündete. Über die Jahre wechselte die Mühle mehrmals die Besitzer. 1818 bis 1827 hatte die Pianoforte-Manufaktur von Johann Christian Gottlieb dort ihren Firmensitz. Das Grundstück wird seit 2002 von der Hochschule für Musik und Theater „Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig genutzt.

Rund 250 Meter südöstlich der Barfußmühle lag die Thomasmühle am heutigen Dittrichring. Ihr Name liegt dabei der Thomaskirche des Augustinerklosters St. Thomas zugrunde. Der Dreißigjährige Krieg beschädigte das Gebäude, doch die Mühle wurde wiederaufgebaut.

Eine ebenfalls sehr alte Mühle ist die Angermühle aus dem Jahr 1165. Ursprünglich bekannt als Jacobsmühle leitete sich ihr Name von der gegenüberliegenden Jacobskirche ab, die jedoch später abgerissen wurde. Entsprechend änderte sich auch der Name. Gelegen am Elstermühlgraben, gehörte die Mühle dem Augustinerkloster St. Thomas an. Später ging sie in den Privatbesitz über, bis sie letztlich 1492 von der Stadt Leipzig übernommen wurde. Ursprünglich wurde die Angermühle mit ihren zehn Wasserrädern und zwei Mahlgebäuden zur Papierherstellung genutzt, später auch als Tabaks-, Gewürz- und Ölmühle. Mit der Erzählung „Faustens Höllenzwang in der Angermühle zu Leipzig“ wurde der Mühle durch Johann Gottfried Gregorii, bekannt unter dem Pseudonym MELISSANTES, ein literarisches Denkmal gesetzt. Die Angermühle ist in der Sage der Hauptort und erzählt von dem Lehrling Johann Georg C., welcher mit einer Ausgabe von Faustens Höllenzwang und einer Wünschelrute den Teufel beschwören will.

Zudem befand sich einst an der heutigen Karl-Tauchnitz-Brücke eine weitere Mühle: Die Nonnenmühle. Um 1287 errichteten Nonnen des Georgenklosters, welches von Hohenlohe nach Leipzig verlegt wurde, diese Mühle nur unweit ihres Klosters. Vom 16. bis 19. Jahrhundert diente die Mühle der städtischen Wasserversorgung. Ab dem 19. Jahrhundert wurden zudem verschiedenste Arten von Pappe dort hergestellt. Unter der Mühle befand sich eine Badeanstalt. Heute erinnert in der Nonnenmühlgasse eine Installation von kleinen Wasserrädern am geöffneten Pleißemühlgraben an das historische Gebäude.

Um 1454 stellte der Leipziger Stadtrat zur Pflege seiner Panzer und Geräte einen Plattner ein – einen spezialisierten Schmied. Dieser brauchte für sein Handwerk jedoch eine Poliereinrichtung, die damals üblicherweise durch Wasserkraft betrieben wurde. Zu dieser Zeit befand sich noch keine Mühle vollständig im Besitz der Stadt, sodass eine Schiffsmühle im Pleißemühlgraben, nahe des Ranstädter Steinwegs, positioniert wurde – die Poliermühle.

Bis in das 19. Jahrhundert lieferte nur ein Pferdegöpel die Antriebskraft für die Stadt. Daraus ging der Name der Rossmühle in Leipzig hervor, die sich gegenüber des Kleinen Kollegs der Universität Leipzig befand. Die Mühle musste jedoch dem Bau der Georgenhalle weichen.

Auch in den später nach Leipzig eingemeindeten Dörfern Connewitz, Lößnig und Dölitz befanden sich Mühlen. Bis Mitte des 12. Jahrhunderts legten diese Orte gemeinsam einen Mühlgraben an der Pleiße an, wobei jedes Dorf eine Mühle daran betrieb.

Doch nicht nur Wassermühlen fand man in Leipzig – auch Windmühlen schmückten die Stadt. Die älteste bekannte Windmühle befand sich am heutigen Bayerischen Platz. Nach ihrer Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg erinnert noch heute die Windmühlenstraße an sie. In den umliegenden Dörfern entstanden im Laufe der Zeit über 35 weitere Windmühlen – vor allem in Orten, die keinen Zugang zu fließenden Gewässern hatten. Die bekannteste war die Quandtsche Tabaksmühle in Thonberg, welche der Völkerschlacht 1813 zum Opfer fiel.

Geheimtipps für Mühlenfans – die Region Leipzig

Die technischen Denkmäler ziehen regelmäßig zahlreiche Besucher an. Die Stadt Bad Düben verzeichnet allein sechs Windmühlen. Die bekannteste davon ist die Bockwindmühle aus dem Jahr 1840. Bis 1960 wurde dort Mehl gemahlen. Jedoch musste die Mühle aufgrund des Baus des Flughafen Leipzig/Halle ihrem einstigen Standort in Glesien weichen und wurde 2006 schließlich nördlich der Dübener Obermühle vollständig rekonstruiert wiederaufgebaut. Die Dübener Obermühle ist die älteste ihrer Art in der Region und wurde erstmals im 15. Jahrhundert erwähnt. Als Teil des Museumsdorfes Dübener Heide ist die Mühle nach ihrer Restauration vollständig funktionsfähig. Auch die Bergschiffmühle, die ehemalige Niedermühle, in der sich heute die Bäckerei Paetsch befindet, die Stadtmühle Schüßler oder die Bockwindmühle Sommerfeld sind einen Besuch wert.

In Eilenburg befindet sich die Bechers Mühle: Die Turmwindmühle aus dem 19. Jahrhundert wurde von Müller August Becher erworben – ihrem Namensgeber. Aufgrund von Kriegsschäden konnte die Mühle schließlich nur noch elektrisch betrieben werden – auch in der Herstellung von Lebens- und Futtermitteln. 1994 wurde die Mühle wieder rekonstruiert, jedoch ohne Flügel.

Eine weitere Bockwindmühle verzeichnet die Gemeinde Löbnitz. In der 1760 erbauten Mühle wurde bis 1924 durch Windkraft gemahlen. Nur selten wurde der Elektromotor eingesetzt. Nachdem zu Beginn an diesem Standort noch gemahlen wurde, wurde bis 1996 schließlich nur noch geschrotet. Nach der Restaurierung erhielt die Mühle ein neues Antriebsrad sowie neue Ruten. Noch heute besteht die technische Ausstattung aus der Haferquetsche und einem Schrotgang.

Fast alle Bockwindmühlen der Region, wie auch die Exemplare in Lindennaundorf, Kühnitzsch, Ballendorf, Luppa oder Zeukritz sind noch nahezu vollständig erhalten und funktionstüchtig. Oftmals wurden die Mühlen zusammen mit weiteren handwerklichen Berufen betrieben: So gab es neben der Bockwindmühle Schmannewitz noch eine Bäckerei, in welcher das gemahlene Korn frisch verarbeitet wurde.

Der letzte gewerbliche Windmüller der Region war in Doberschütz tätig. Ernst Friedemann erwarb 1933 die im Jahr 1883 errichtete Turmwindmühle zu Paschwitz. Diese musste noch durch eigene Handkraft im Wind gehalten werden, um zu funktionieren. Edgar Friedemann übernahm 1975 den Betrieb und war bis 1997 aktiv im Dienst. Heute lädt die gemütliche Müllerstube zum Verweilen ein. Die dazugehörige Mühlenscheune ist ein beliebter Veranstaltungsort.

Die Stadt Grimma ist vor allem für jüngere Generationen interessant: Im idyllischen Dorf Höfgen liegt die Wassermühle an der Mulde. Die einstige Getreidemühle war bis 1954 in Betrieb. Heute findet man dort eine technische Schauanlage mit einer musealen Ausstellung inklusive angrenzendem Gasthaus. Das Museum vermittelt so seinen Besuchern Einblicke in die noch immer funktionstüchtige Mahltechnik sowie die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Müllerfamilien. Wer eine besondere Unterkunft zum Nächtigen sucht, wird ebenso in Grimma fündig: Das Erlebnishotel „Zur Schiffsmühle“ mit dem Restaurant „Mühlenstube“ legt ebenfalls den Fokus auf das Mühlenhandwerk. Das gern besuchte Ausflugsziel entstand in Anlehnung an die bis 1871 dort betriebene Schiffsmühle. Das heutige Hotel bietet zahlreiche einzigartige Highlights, darunter die Saunalandschaft, das Restaurant mit Panoramaterrasse oder die Bowlinggrotte mit echten Felswänden aus Porphyr.

Ein lebendiges Kulturdenkmal

Die meisten dieser Standorte nördlich um Leipzig werden von dem Verein Mühlenregion Nordsachsen e.V. betreut. Der im Jahr 2000 gegründete Verein setzt sich allen voran für die Erhaltung der Mühlen sowie den Wiederaufbau, die Förderung der Heimatpflege und des Kulturerbes sowie für die Volksbildung ein. So sollen allen noch folgenden Generationen ein Einblick in die Arbeit der durch Elektrizität, Wind- und Wasserkraft betriebenen Mühlen gegeben werden.

Wer die Mühlen der Region erkunden will, kann dies auf verschiedenste Arten tun. Auf diversen Radwanderwegen durch das Land können Interessierte neben wissenswerten Informationen rund um das Müllerhandwerk ebenso die Natur in aller Schönheit genießen. Auch überregionale Radwege wie der Elberadweg, der Radweg Berlin-Leipzig, der Mulderadweg oder der Lutherweg Sachsen vereinen eine Vielzahl historischer Mühlen an ihren Strecken. In nahezu allen Mühlen werden regelmäßig Führungen angeboten, die Einblicke in die Räumlichkeiten gewähren. Zudem findet jedes Jahr zu Pfingsten der Deutsche Mühlentag statt. Mehr als 20 Standorte der Region öffnen dann ihre Türen für Besucher und organisieren vielfältige Programme.

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Andreas Schmidt

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