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Leipzig - einzigartige Industriearchitektur erlebt im Stadtteil Plagwitz neue Blütezeit

Plagwitz - Leipziger Baumwollspinnerei, zu sehen ist das Gelände der Leipziger Baumwollspinnerei mit zahlreichen Besuchern und Ständen © Andreas Schmidt© Andreas Schmidt
Plagwitz - Leipziger Baumwollspinnerei © Andreas Schmidt

In Leipzigs Westen hat sich mit dem Stadtteil Plagwitz ein ca. 90 Hektar großes Flächendenkmal der Industriearchitektur erhalten, das seinesgleichen sucht. Es war das erste planmäßig entwickelte, großräumige Industriegebiet Deutschlands.

Das deutsche Unternehmertum ist eng mit der Geschichte von Plagwitz verbunden und wurde erheblich vom Gutsbesitzersohn und Rechtsanwalt Dr. Carl Erdmann Heine (1819-1888) geprägt. Durch sein Engagement in den Jahren zwischen 1840 und 1880 wurde Leipzig zum Vorreiter der deutschen Industrialisierung. Schon früh zeigte sich Heine von der damals noch revolutionären Eisenbahn sowie der wirtschaftlichen Nutzung von Wasserwegen begeistert. So handelt es sich bei dem 1873 eröffneten Bahnhof Plagwitz-Lindenau um den ersten Industriebahnhof Europas. Heines Visionen ermöglichten den Bau eines Kanals, der zur Schaffung einer Schifffahrtsstraße von Leipzig nach Hamburg führen sollte. Ziel war, die in Leipzig produzierten Industriewaren über den Hamburger Hafen weltweit abzusetzen. Der Visionär erwarb in Plagwitz große Wiesen und Ackerland und nutzte diese für Wohnungsbau und Industrieansiedlung. Er legte das sumpfige Gebiet trocken und regulierte Wasserläufe.

Weiterhin engagierte sich Heine stark für die Ansiedlung von Industrieunternehmen und kümmerte sich um deren Anbindung an die Wasserwege bzw. an das Schienennetz. Die Kombination von Wohnquartieren und Arbeitsstellen war einmalig und verhalf der Industrie, in Verbindung mit den idealen Transportwegen, zum stürmischen Aufbruch.

Ab 1920 ließen Rüstungsindustrie, Aktienspekulation, Krieg und wirtschaftlicher Verfall der sozialistischen Planwirtschaft den Industriestandort immer mehr ins Hintertreffen geraten. Nach der Wende 1989 erfolgte endgültig der Niedergang von Plagwitz, das im Zweiten Weltkrieg nur geringfügig beschädigt wurde. Nachdem fast eineinhalb Jahrhunderte die Schornsteine geraucht hatten, folgte die Reindustrialisierung im Zeitraffer. Die Betriebe wurden liquidiert, die Bevölkerung wanderte ab und es kam zu hohem Leerstand und Abrissen. Über 90.000 Industriearbeitsplätze gingen in Leipzig verloren, davon ein großer Teil in Plagwitz. Der Stadtteil wurde totgesagt und schien endgültig dem Verfall preisgegeben: Gespenstische Häuser, leere Fabrikgebäude, vom Gras überwucherte Bahngleise und verschmutzte Gewässer folgten.

Nun waren abermals Visionen gefragt. Eine neue Gründerzeit begann. Die Baudenkmäler sowie die Gewässer und Gleisbogen, die in ihrer Gesamtheit den einzigartigen Charme von Plagwitz ausmachen, sollten renoviert und rekonstruiert werden. Die Stadt und zahlreiche Investoren starteten ein umfangreiches Aufbauprogramm. Im Jahr 2000 erhielt Plagwitz als externer Standort der Hannoveraner EXPO unter dem Motto “Plagwitz auf dem Weg ins 21. Jahrhundert – Ein Stadtteil im Wandel” weltweite Aufmerksamkeit und damit einen deutlichen Entwicklungsschub.

Glücklicherweise überdauerten die meisten Bauensembles der Gründerzeit und der frühen Moderne die schwierigen Jahre und entfalteten nach ihrer Restaurierung bald den Reiz einer untergegangenen Welt. Heute kann man die prachtvollen Backsteinbauten sowie die beeindruckenden Brücken über den Karl-Heine-Kanal bewundern, die Leipzig zur Hafenstadt machen sollten. In ehemaligen Fabrikhallen sind exklusive Lofts entstanden, in deren Höfen dank Wurzelheizung exotische Palmen gedeihen.

Zahlreiche Unternehmen, vor allem aus der Kreativ-Branche, haben sich in den vergangenen Jahren in Plagwitz niedergelassen. Mit dem „Business Innovation Center (BIC)“ entstand 1999 eine erfolgreiche Existenzgründerinitiative. Eine touristische Attraktion ist das „Da Capo - Eventhalle und Oldtimermuseum“, das in der restaurierten Fabrikhalle von 1895 eine der größten Sammlungen amerikanischer Oldtimer in Europa ausstellt. Es hat sich mit dem außergewöhnlichen Ambiente der 1.000 qm großen Eventhalle einen Namen gemacht.

Als ein Zentrum der Kunstproduktion bekannt, gelang es den Betreibern der ehemaligen Leipziger Baumwollspinnerei in Plagwitz, einst die größte Baumwollspinnerei Europas, Ende 2004 die Aufmerksamkeit der Leipziger Galeristen auf sich zu ziehen. Kaum eine andere große Fabrikanlage, die kommerziell revitalisiert wurde, bietet ein derartig breites Angebot für ein kunstinteressiertes Publikum und bleibt dabei gleichzeitig kreative Heimat für viele Künstler und andere Freiberufler. Drei Mal im Jahr findet der Rundgang der SpinnereiGalerien statt, zu dem Kunstinteressierte aus aller Welt in die Spinnerei kommen.

Nur 400 Meter entfernt befindet sich in der Saalfelder Straße 8 das Kunstkraftwerk Leipzig. Mit der Deutschlandpremiere "ILLUSION – Nothing is as it seems" wurde am 18. Juni 2016 die erste große Ausstellung eröffnet. Das ehemalige Heizkraftwerk hat sich seitdem in ein Zentrum für zeitgenössische Kunst, Kultur und Design verwandelt. Diverse Hallen sorgen dafür, dass auf rund 2.300 qm Nutzfläche für jeden Anlass der passende Rahmen geschaffen wird.

Ein weiteres Kunstareal befindet sich auf dem Gelände des Tapetenwerks in der Lützner Straße 91 in Leipzig-Lindenau. Die ehemalige Tapetenfabrik Langhammer und Söhnewurde 1873 gegründet und war die zweitgrößte Tapetenfabrik Deutschlands. Bis August 2006 wurde hier produziert. Seit 2007 ist das Tapetenwerk „Produktionsstandort“ für Künstler, Designer, Architekten und für kreatives Handwerk.

Das Westwerk in der Karl-Heine-Straße 85-93 ist ein Schmelztiegel von Kunst, Musik und Kultur. Neben den Proberäumen lokaler Bands, befinden sich die Ateliers etablierter Künstler und Büros erfolgreicher Architekten. In den Cafés und Freiräumen finden Ausstellungen und Konzerte regen Anklang bei den jungen Kreativen. Durch ihre Anwesenheit entwickelte sich die Karl-Heine-Straße zu einer beliebten Szenemeile. Kneipe an Kneipe vergnügen sich Alt- und Neuleipziger und genießen das einzigartige Flair des Stadtteils.

Wer sich für die Plagwitzer Industrieanlagen interessiert, findet außergewöhnliche Bauten. Architektonisch bedeutsam ist zum Beispiel die im Jahr 1866 gegründete “Wollgarnfabrik Titel & Krüger” in der Nonnenstraße/Elsterstraße. Das Verwaltungsgebäude der Leipziger “Konsum-Zentrale”, 1928 nach Entwürfen des Hamburger Architekten Fritz Höger erbaut, ist eine grandiose Symbiose von Backsteinexpressionismus und Neuer Sachlichkeit in der Industriestraße 85-95. Auch die 1880 gegründete “Maschinenbaufabrik Unruh & Liebig” in der Naumburger Straße 28 ist sehenswert, ebenso wie die “Buntgarnwerke”, die zwischen 1879 und 1925 in der Nonnenstraße errichteten wurden. Sie gehören zu den größten Gründerzeitdenkmalen Deutschlands. Wer eine Bootstour auf dem Karl-Heine-Kanal macht, dem wird mit Sicherheit ein widerspenstiges Gebilde ins Auge fallen: Das 2003 wiedereröffnete “Stelzenhaus” in der Weißenfelser Straße 65H wurde aufgrund Platzmangels Ende des 19. Jahrhunderts an einer Kanalbiegung errichtet. Getragen wird das streng funktionalistische Gebäude von wuchtigen Betonstützen.

Die Entwicklung Plagwitz von einem Dorf zum Industriestandort lässt sich vier Epochen zuordnen: Die Industrialisierung 1840-1870, Welthandel und Gründerboom von 1870-1918, Weltwirtschaftskrise und Kriegsmaschinerie von 1920-1945, Aufstieg und Fall als Industriestandort nach dem Neubeginn von 1945-1989. Das brache Industrieviertel hat sich inzwischen zu einem modernen, grünen, sozial verträglichen und begehrten Quartier für Wohnen, Arbeit und Freizeit umgewandelt, das in Deutschland seinesgleichen sucht.

Weitere Informationen: www.leipzig.travel

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