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Waldheim – auf den Spuren von Karl May im ältesten Gefängnis Deutschlands

Waldheim - Rathaus, zu sehen ist eine Außenansicht des Rathauses bei strahlend blauem Himmel © Andreas Schmidt© Andreas Schmidt
Waldheim - Rathaus © Andreas Schmidt

Waldheim ist ein beschauliches Städtchen im Tal der „wilden“ Zschopau. Der ungebändigte Fluss bahnt sich vom Nordhang des Fichtelberges, dem höchsten Berg des Erzgebirges, seinen Weg über 105 Kilometer von Süd nach Nord bis zur Mündung in die Freiberger Mulde bei Döbeln. Die Lage Waldheims an dem wilden Wasserlauf sorgt auch für den Beinamen der Stadt – Perle des Zschopautals.

Inmitten der Stadt liegt die aus dem 1716 unter Kurfürst August dem Starken eröffneten Zucht-, Armen- und Waisenhaus Waldheim hervorgegangene Justizvollzugsanstalt. Eingerichtet wurde sie im ehemaligen Jagdschloss Kurfürst Christian des I.. Vorher gehörte die Anlage der Adelsfamilie von Carlowitz, die das 1549 aufgelöste Kloster der Augustiner-Eremiten 1555 zum Schloss ausgebaut hatte. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts und bis heute dient die zwischenzeitlich nach und nach erweiterte Anlage ausschließlich dem Erststrafvollzug. Die über 300-jährige Geschichte des ältesten Gefängnisses Deutschlands wird in einem Museum in den Räumen der heutigen Justizvollzugsanstalt in einer von seinem Förderverein gestalteten Ausstellung aufgearbeitet. Eine Führung ist nach Anmeldung möglich. Weithin bekannt wurde Waldheim auch durch die sogenannten „Waldheimer Prozesse“ gegen Kriegsverbrecher des Dritten Reichs. Die Verhandlungen fanden im Ratssaal des Rathauses statt. Es wurden 33 Todesurteile gefällt.

Langer Weg vom „Ort an der Salzstraße“ bis zur Wiege der Zahncreme

Erstmals wurde Waldheim 1198 als „ein Ort an der Salzstraße von Halle nach Böhmen“ erwähnt. Im Jahre 1286 erhielt Waldheim das Stadtrecht. Verschiedene Lehnsherren herrschten in Folge über den Ort. Besondere Bedeutung kommt der selbstbewussten Elisabeth von Rochlitz zu, deren Witwensitz auf Schloss Rochlitz auch die Herrschaft über Waldheim und Kriebstein umfasste. Sie führte 1539 die Reformation in ihrem Herrschaftsgebiet ein.

Die ursprünglich durch die Landwirtschaft sowie Weberei und Tuchmacherei geprägte Wirtschaft erfuhr im 19. Jahrhundert einen rapiden Aufschwung. Möbel- und Schuhherstellung, Seifen- und Kosmetikproduktion hielten ebenso Einzug wie die Herstellung von Spielwaren – vor allem Blechspielzeug der Firma Georg Kühnrich. Großen Stellenwert hatte die Zigarrenfabrikation. Diese fand erst Ende der 1960er Jahre ihr Ende, da die Herstellung auf staatliche Weisung nach Thüringen verlagert wurde.

Der Waldheimer Apotheker Adolf Heinrich August Bergmann gilt als Erfinder der Zahncreme, wobei diese ursprünglich Zahnseife war. Seine 1852 in Waldheim gegründete Parfümerie- und Toilettenseifenfabrik stellte um 1900 etwa 800 verschiedene Produkte her, die nach ganz Europa, Nord- und Südamerika sowie nach Südafrika exportiert wurden. Daraus entstand die Florena Cosmetic GmbH, die seit 2002 zur Beiersdorf AG gehört.

Waldheim war im Mai 1945 vier Tage lang zwischen den Alliierten USA und Sowjetunion geteilt, bis die Stadt am 10. Mai komplett von der Roten Armee besetzt wurde.

In der späteren DDR dominierte die Kosmetik- und Möbelindustrie, vor allem die Stuhlproduktion. Seit 1952 lag die Stadt im Kreis Döbeln des Bezirkes Leipzig. Seit 2008 gehört sie zum Landkreis Mittelsachsen.

Ein Gotteshaus mit großer Musiktradition

Die evangelische Kirche St. Nicolai ragt weithin sichtbar über der Stadt auf. Ihr Vorgängerbau aus dem 14. Jahrhundert stand auf dem Marktplatz, wurde erstmals 1648 und erneut 1832 bei großen Stadtbränden zerstört, um danach auf dem Kellerberg in klassizistischer Manier neu aufgebaut und 1842 geweiht zu werden. Den alten Standort auf dem Markt markiert eine ins Pflaster eingelassene Bronzetafel. Das Gotteshaus bietet 1.400 Gläubigen Platz. Ihre Orgel besitzt 30 Register und ca. 1.700 Pfeifen. Die Kantoreigesellschaft besteht seit 1561 und pflegt seit nunmehr über 450 Jahren Traditionen der Kirchenmusik vom 16. bis 18. Jahrhundert.

Weiterhin sehenswert ist das im Jahr 1902 im Jugendstil errichtete Rathaus am Niedermarkt. Es findet sich direkt am Ufer der Zschopau neben der von Matthäus Daniel Pöppelmann errichteten Brücke. Ihr Turmuhr-Zifferblatt mit knapp vier Metern Durchmesser ist das zweitgrößte in Deutschland. Gegenüber vom Rathaus kann man den Wettinbrunnen im Jugendstil sowie eine nachgebildete sächsische Postmeilensäule besichtigen.

Im Stadt- & Museumshaus, dem ehemaligen Haus des Tuchmachers Riehle, befindet sich seit Ende 2017 die Tourist-Information. Ausstellungsräume im Obergeschoss beherbergen Werke von Georg Kolbe. Der 1877 in Waldheim geborene Künstler schuf zahlreiche Skulpturen, die im In- und Ausland präsent sind. Im Dachgeschoss ist die Waldheimer Stadtgeschichte in überdimensionalen Reisekoffern erlebbar.

Von Waldheim in den wilden Westen

Das älteste Gefängnis Deutschlands, die heutige Justizvollzugsanstalt, beherbergte vier Jahre lang den international bekannten Abenteuerschriftsteller Karl May. Der prominente Insasse war vom 3. Mai 1870 bis 2. Mai 1874 wegen Betrugs, Fälschung und wiederholtem Diebstahl mit der Häftlingsnummer 402 in der untersten von drei Disziplinarklassen inhaftiert. Da alle Insassen in verschiedenen Werkstätten arbeiten mussten, wurde auch May als Zigarrendreher eingesetzt. Zeitweise betreute er auch die etwa 1.700 Bände umfassende Bibliothek der Anstalt und spielte zum Gottesdienst die Orgel. Über seine Häftlingszeit schrieb er: „Ich muß konstatieren, daß diese vier Jahre der ungestörten Einsamkeit und konzentrierten Sammlung mich sehr, sehr weit vorwärts gebracht haben.“ Seine Erfahrungen ließ der sächsische Schriftsteller auch in drei seiner Werke einfließen: „Des Kindes Ruf“, „Der verlorene Sohn“ und „Die Juweleninsel“.

Geführte Entdeckertouren durch Stadt, Historie und Mysterien

Wer die Stadt entdecken möchte, kann in der Tourist-Information im Stadt- & Museumshaus am Niedermarkt 8 aus fünf Touren auswählen. Ein Rundgang führt durch das Gründerzeit-Rathaus mit dem historisch bedeutsamen Ratssaal und eindrucksvollen Wandbildern und endet auf dem fast 60 Meter hohen Turm mit einem ganz besonderen Blick über die Stadt und das Zschopautal. Die Geheimnisse des Kellerbergs erkundet man bei einer Führung unter Tage. Das jahrhundertealte Gangsystem war eine Bergwerksanlage für Serpentingestein zur Herstellung von Kunstgegenständen, aber ebenso ein Zufluchtsort bei Gefahren.

Die klassische Stadtführung spannt den Bogen von der „Alten Salzstraße“ über die Regentschaft des sächsischen Kurfürsten August der Starke bis zur international bekannten Marke Florena, die ihren Ursprung in Waldheim hat.

Geschichtsinteressierte Besucher können bei einer Spezialführung eine Zeitreise auf den Spuren Napoleons an authentische Orte des großen Feldzuges 1813 antreten.

Mittelsachsen ist eine Region voller Sagen und Legenden. In Waldheim soll laut jahrhundertealter Erzählung der Nixfürst mit seinen drei Töchtern in einer Höhle gelebt haben. Eine rund vierstündige Wanderung lässt die sagenhafte Geschichte lebendig werden.

Naturparadies Zschopautal

Waldheim ist für Naturentdecker ein gut geeigneter Ausgangspunkt, um das Zschopautal und seine Umgebung zu erkunden. Hier treffen sich zahlreiche Wander- und Radwege. Auf dem 15 Kilometer langen Rundwanderweg gibt es fantastische Aussichtspunkte und gemütliche Rastplätze. Nummerierte Wanderwege führen beispielsweise zur Burg Kriebstein, der schönsten Ritterburg Sachsens, sowie der nahegelegenen Talsperre Kriebstein. Dort kann man sich am Wasser wunderbar entspannen oder aktiv sein. Überregionale Radwanderwege führen bis nach Geringswalde, Leisnig, Schönborn-Dreiwerden, Roßwein, Döbeln und Mittweida.

Waldheim ist auch Station am Lutherweg Sachsen, einem überregionalen Pilgerweg, der Städte, Stätten und Orte verbindet, an denen Martin Luther und seine Wegbegleiter wirkten.

Für Natur- und Technikfreunde gleichermaßen begeisternd ist die rund 17 Kilometer lange Tour entlang der „Bankrottmeile“, dessen technische Denkmale wie der Diedenhainer und Limmritzer Viadukt sowie die Hängebrücke am Hasennest, sehr sehenswert sind.

Waldheim ist auch ein Eldorado für Geologie-Freunde, denn der einzige Fundort des sehr seltenen Minerals Prismatin (Kornerupin) in Deutschland liegt hier im sächsischen Granulitgebirge, speziell in einem alten Steinbruch am Güterbahnhof. Aber auch auf dem Pfaffenberg wird man fündig. Die Mineralienvielfalt im Zschopautal umfasst auch Amethyst, Achat, Granat, Korund, Rauchquarz, Pyrop, Serpentin, Titan- und Eisenmineralien.

Das Stadtfest lädt zum Jahreshöhepunkt

Einen besonderen Höhepunkt im Waldheimer Veranstaltungskalender bildet das alljährliche Stadtfest im August, das seit 1990 Besucher aus nah und fern zu Kulturerlebnissen, Markttreiben und kulinarischen Angeboten einlädt. Während des Festwochenendes werden bei sportlichen Wettkämpfen u.a. der Meister im Bergzeitfahren ermittelt und der Schützenkönig gekürt.

Kulturelle und sportliche Aktivitäten finden ganzjährig in der im Jahr 2000 eröffneten Mehrzweckhalle statt. Ebenso bereichern Konzerte in der Kirche St. Nicolai das kulturelle Leben der Stadt.

Waldheim in Zahlen und Fakten

Die Stadt Waldheim liegt im Landkreis Mittelsachsen. In der Kernstadt und den vier Ortsteilen wohnen auf einer Fläche von 41,71 Quadratkilometern rund 9.000 Einwohner.

Günstige Verkehrsanbindungen bestehen für die im Städtedreieck der sächsischen Großstädte Dresden, Leipzig und Chemnitz gelegene Stadt über die A 4, Abfahrt Hainichen und über die A 14, Abfahrt Döbeln-Nord oder Leisnig.

Per Eisenbahn pendelt zwischen Chemnitz und Riesa ein stündlicher Städteexpress, von Leipzig und Dresden ist jeweils ein Umstieg erforderlich.

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Ihr Ansprechpartner

Andreas Schmidt

Leiter Öffentlichkeitsarbeit/PR

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Tel. +49 341 7104-310
Fax +49 341 7104-301
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