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Die Buchstadt Leipzig

Leipziger Buchmesse - Blick in die Glashalle, zu sehen sind zahlreiche Besucher im Eingangsbereich der Messe, die die Treppe zu den Ausstellungshallen erklimmen © LTM, Frederike Fuhrmann© LTM, Frederike Fuhrmann
Leipziger Buchmesse - Blick in die Glashalle © LTM, Frederike Fuhrmann

Die Stadt Leipzig gilt seit jeher als eine der bedeutendsten Städte, wenn es um Bücher geht. Zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert erlebte die Stadt eine regelrechte Hochzeit als Standort für die wichtigsten deutschen Verlage und Großbuchhändler.

Das grafische Viertel

Das sogenannte grafische Viertel in Leipzig trug wesentlich zur Entwicklung Leipzigs als Buchmetropole vor dem Zweiten Weltkrieg bei. Östlich der Innenstadt gelegen, im heutigen Zentrum Ost, Reudnitz und Thonberg, siedelten sich dort die meisten Firmen des Gewerbes an. Namhafte Unternehmen wir Brockhaus, Teubner, Insel oder Reclam erbauten hier beeindruckende Industriepaläste. Allein im Jahr 1913 verzeichnete das Leipziger Stadtadressbuch mehr als 2.000 Firmen aus allen Zweigen des Buchgewerbes, darunter 848 Verlage und Buchhandlungen, 201 Buchbindereien und 189 Druckereien. Diese Konzentration in einem Viertel war weltweit einzigartig. Zudem war die Nähe der verschiedenen Firmen zueinander ein logistischer Vorteil: In einer Zeit, in der alle Waren per Kutsche transportiert werden mussten, wurde dies erheblich erleichtert. Beinahe alle deutschen Bücher wurden über Leipzig gehandelt: Die dort ansässigen Verlage hatten die meisten Bücher durchgehend vorrätig und konnten diese kostengünstig und schnell abwickeln. Als im Jahre 1874 der Eilenburger Bahnhof auf dem Gelände des heutigen Lene-Voigt-Park eröffnet wurde, erleichterte sich nicht nur der Transport von Papier, Maschinen und Metall, sondern ebenso der Versand von Büchern in alle Welt. Zehn Prozent der Leipziger Bevölkerung arbeitete damals im Verlagswesen.

Der Zweite Weltkrieg hinterließ jedoch auch in Leipzig seine Spuren: Die Nacht vom 3. auf den 4. Dezember 1943 wurde der Stadt zum Verhängnis, als britische Bomber einen Großangriff flogen. Besonders das Innenstadtzentrum und die angrenzenden Stadtteile, damit auch das Grafische Viertel, wurden stark getroffen. Die Großflächenbrände infolge des Beschusses erzeugten einen Feuersturm. Schätzungsweise wurden in jener Nacht rund 50 Millionen Bücher vernichtet und 1.000 Firmen zerstört. Viele Verlage wanderten nach 1945 in Folge einer Enteignungswelle nach Westdeutschland ab oder gründeten dort ihre Dependancen. Nur noch rund 50 Verlage befanden sich zur DDR-Zeit in Leipzig.

Heutzutage zeugen noch zahlreiche repräsentative Gebäude vom damaligen Glanz. Mit der Eröffnung des „Haus des Buches“ im Jahr 1996, erhielt das Viertel wieder eine lebendige Begegnungsstätte.

Der Besuchermagnet Leipziger Buchmesse

Die Leipziger Buchmesse bildet jährlich zusammen mit dem Festival „Leipzig liest“ den Auftakt des Branchenjahres in Leipzig. Nach Frankfurt am Main ist die Veranstaltung in Leipzig somit die zweitgrößte Buchmesse in ganz Deutschland. Ihre Geschichte reicht bis in das 17. Jahrhundert zurück, als die auf der Messe vorgestellte Bücherzahl erstmals die der Messe in Frankfurt überstieg. Aufgrund der Ortsansässigkeit zahlreicher Verleger in Leipzig sowie des unbegrenzten Zuganges für jedermann etablierte sich die Messe zum wahren Publikumsmagneten. Neben Präsentationen von Neuerscheinungen, Lesungen mit bekannten Autoren und Impulsen für den Büchermarkt, findet die Publikumsmesse zudem in Verbindung mit der Leipziger Antiquariatsmesse sowie der Manga-Comic-Convention statt. Als Rahmenprogramm wird ebenfalls der Preis der Leipziger Buchmesse sowie der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung vergeben. Auch die Nominierungen des Deutschen Jugendliteraturpreises werden im Rahmen der Buchmesse bekannt gegeben.

„Leipzig liest“ ist bereits seit 30 Jahren das größte Lesefest Europas. Zahlreiche Veranstaltungen im Leipziger Zentrum bieten die Möglichkeit, bekannten Persönlichkeiten aus der Buchbranche zu lauschen und mit diesen in Kontakt zu treten. Die gesamte Stadt verwandelt sich währenddessen in eine einzige Lesebühne.

Ewiges Wissen – Leipzigs Bibliotheken

In der Stadt des Buches dürfen Bibliotheken nicht fehlen. Die bekannteste ist die Deutsche Nationalbibliothek (DNB), gegründet am 3. Oktober 1912 auf Veranlassung des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig. Nach der Teilung Deutschlands wurde 1947 zusätzlich in Frankfurt am Main eine Deutsche Bibliothek gegründet. Am 3.Oktober 1990 erfolgte die Zusammenführung. In den Magazinen der beiden Standorte werden rund 41 Mio. Medieneinheiten, davon ca. 9,3 Mio. Netzpublikationen bereitgestellt – somit gelten sie als die zentrale Archivbibliothek Deutschlands.

Das zwischen 1914 und 1916 errichtete Gebäude wurde jeweils von 1934 bis 1936 sowie 1959 bis 1963 durch Baumaßnahmen erweitert. In den Jahren 1976 bis 1982 entstand der funktionelle Bücherturm. Der Auftrag der DNB zur Sammlung und dauerhaften Bewahrung deutscher und deutschsprachiger Veröffentlichungen führte zu einem ständig zunehmenden Platzbedarf. Aus diesem Grund sah der Architekt Oskar Pusch bei seiner Planung des ersten Bauabschnitts vor, das Gebäude in regelmäßigen Abständen zu erweitern. Mit dem Umzug des Deutschen Musikarchivs von Berlin nach Leipzig 2010 kamen zudem noch rund 1,5 Mio.  Musikalien- und Tonträgerbestände dazu.

Eine außergewöhnliche Bibliothek befindet sich im Musikviertel: Die Bibliotheca Albertina wurde 1887 bis 1891 nach einem Entwurf von Arwed Roßbach im Neorenaissancestil erbaut. Nach dem Umbau im 20. Jahrhundert erfolgte von 1992 bis 2002 eine weitreichende Modernisierung des gesamten Gebäudekomplexes. Als Zentrum für Literaturerwerbung und -erschließung sowie als Archivbibliothek ist sie ein wichtiger Bestandteil der Universität Leipzig. Benannt nach dem ehemaligen Landesherren König Albert von Sachsen, verfügt die Bibliothek über mehr als 5,5 Mio. Bände und 6.500 laufende Zeitschriften. Darüber hinaus sind 173.000 Autographen, 80.000 Münzen und Medaillen sowie eine Papyrus- und Ostrakasammlung in den Räumlichkeiten untergebracht – darunter auch eine der ältesten medizinischen Schriften weltweit, der Papyrus Ebers.

Im Jahre 1894 gegründet, ist das Deutsche Zentrum für barrierefreies Lesen (DZB) die älteste öffentliche Blindenbibliothek in Deutschland. Rund 80.000 Titel aller literarischen Genres stehen in Form von Hör- und Braillemedien, Großdruck oder Noten zur Ausleihe bereit. Somit trägt die Einrichtung maßgeblich zur Erweiterung der Bildungsmöglichkeiten für sehbehinderte Menschen bei. Die DZB ist dabei nicht in erster Linie als Bibliothek konzipiert, sondern als Produktionszentrum von Medien für lesebeeinträchtigte Menschen. Zusätzlich unterstützt das Zentrum zahlreiche Einrichtungen bei der Erstellung barrierefreier Kommunikations- und Informationsangebote.

Auch die Leipziger Stadtbibliothek am Wilhelm-Leuschner-Platz zählt zu den beliebtesten Kultureinrichtungen der Stadt. Ursprünglich als Leipziger Ratsbibliothek 1711 eröffnet, wurde sie 1832 zur „Bibliotheca Senatus Lipsiensis“ (Leipziger Stadtbibliothek) umbenannt und richtete im Laufe der Jahre in den Stadtteilen Leipzigs 15 verschiedene Außenstellen ein. Die Städtischen Bibliotheken sind heute wichtige Zentren der Kommunikation, Information, Leseförderung und Bildung. Eine Besonderheit ist die Fahrbibliothek: Seit 2012 versorgt der Bus Leser im gesamten Stadtgebiet mit einem vielfältigen Medienangebot.

Im Jahre 1990 wurde zudem die Frauenbibliothek MONAliesA gegründet. Die Einrichtung verfolgt das Ziel, die Bildung von Frauen sowie die feministische Kultur zu fördern und bietet professionelle Archivs-, Bibliotheks-, Bildungs- und Kulturarbeit. Der Bestand wuchs im Laufe der Zeit auf mehr als 30.000 Medieneinheiten rund um die Themen Frauen, Mädchen, Gender und Feminismus an. Damit zählt MONAliesA zu den wichtigsten feministischen Fachbibliotheken in ganz Mitteldeutschland und ist zugleich ein frauenpolitisches Pilotprojekt.

Das Thema Umweltschutz steht bei der Umweltbibliothek Leipzig im Vordergrund. Gegründet 1988 durch den Ökolöwe – Umweltverbund Leipzig e.V. bietet die Einrichtung einen Bestand von rund 9.100 Medien an.

Einen anderen Fokus setzt die Geographische Zentralbibliothek des Leibniz-Instituts für Länderkunde e.V. Als eine der größten geographischen Fachbibliotheken Deutschlands verfügt sie über einen Bestand mit rund 60.000 Karten sowie historischen Büchern und Atlanten. Somit ist die Bibliothek eine relevante Einrichtung für Wissenschaftler zur Weiterbildung zu den Themen Humangeographie, Raumplanung, Physische Geographie oder Regionalgeschichte.

Leipzig als Geburtsstätte der Autoren 

Jeder, der den Traum des Autorendaseins hegt, kommt an Leipzig nicht vorbei. Das Deutsche Literaturinstitut Leipzig (DLL) bietet als einzige Einrichtung in Deutschland, neben Hildesheim, eine universitäre Ausbildung zum Schriftsteller an. Gegründet 1955, war die Einrichtung einst als „Johannes R. Becher-Institut“ bekannt. Seitdem wurden dort rund 1.000 Autoren ausgebildet. Nach der Wende und einer drohenden Schließung wurde das Institut Teil der Universität Leipzig und sein Fortbestehen war gesichert. Namhafte deutsche Autoren wie Bas Böttcher, Juli Zeh oder Heiner Boehncke zählen zu den Dozenten.

Seit 2008 gibt es zudem eine weitere Ausbildungseinrichtung für Literaten in Leipzig: die Textmanufaktur. Die staatlich anerkannte Bildungseinrichtung bietet von Schreibseminaren bis hin zum Fernstudium für Schriftsteller eine große Bandbreite an Möglichkeiten, das Wissen über die Schreibkunst zu erweitern.

Dank intensiver Vernetzung der Universität Leipzig mit der Verlags- und Medienbranche erzielen die Studiengänge „Buchwissenschaft“ sowie „Verlagsherstellung“ an der HTWK eine hohe Vermittlungsquote in die Verlagswirtschaft. So schult Leipzig nicht nur die schreibende Seite, sondern zugleich auch die „Verlegerseite“. Die Herzkammer der Buchwissenschaft der Universität Leipzig ist dabei das „Bibliotop“. In den Räumlichkeiten in der Ritterstraße erstrahlt seit 2021 im Tresorraum der ehemaligen Commerzbank eine einzigartige Sammlung an Werken der Verlage Insel, Reclam und Co. sowie 3.000 Werke zu Buchhandelsgeschichte, Bibliophilie und Typographie.

Namhafte Literaten

Als Wiege des Buchhandels, waren zahlreiche Literaten in Leipzig zugange. Neben Johann Christoph Gottsched, der 1732 die erste deutsche Literaturzeitschrift gründete, konnte sich auch Christian Fürchtegott Gellert über die große Beliebtheit seiner Werke freuen. Als einstiger Student in Leipzig schrieb zudem Gotthold Ephraim Lessing 1746 sein berühmtes Werk „Der junge Gelehrte“, das zwei Jahre später von der Neuberschen Theatertruppe in Leipzig aufgeführt wurde. Auch Friedrich Gottlieb Kloppstock kam 1746 zum Studieren in die Messestadt. Untrennbar mit Leipzig verbunden, ist Johann Wolfgang Goethe. 1765 kam er zum Studium nach Leipzig und wurde von der Sage um Auerbachs Keller so berührt, dass er den Weinkeller letztlich in sein Drama Faust I aufnahm. Der Reiseschriftsteller Gottfried Seume lebte seit 1770 in Knautkleeberg und besuchte bis 1780 die Nikolaischule. Als Wegbereiter der deutschen Kinderliteratur wurde Christian Felix Weiße 1775 bekannt. Mit seiner Wochenzeitschrift „Der Kinderfreund“ prägte er die pädagogische Landschaft. Weitere namhafte Studenten der Universität Leipzig waren Jean Paul, der im Gasthof „Zu den drei Rosen“ sein erstes Werk verfasste, sowie Novalis – der bekannte Dichter der Romantik. Friedrich Schiller kam 1785 nach Leipzig und schrieb in dem heute nach ihm benannten Schillerhaus in Gohlis seine „Ode an die Freude“. Auch Theodor Körner, Theodor Fontane sowie Friedrich Nietzsche prägten mit ihren Werken im 19. Jahrhundert die literarische Szene der Stadt. Lene Voigt, eine in Leipzig geborene Mundartdichterin, ist bis heute durch ihre Dichtungen wie „Säk’sche Balladen“ bekannt. 1910 reiste Erich Kästner nach Leipzig und schrieb u.a. Beiträge für das Leipziger Tageblatt. Zwei Jahre später folgte Franz Kafka und traf den Verleger Ernst Rowohlt in „Wilhelms Weinstuben“. Als Ergebnis dieses Treffens wurde 1912 Kafkas erstes Werke „Betrachtung“ veröffentlicht. Im neuen Jahrtausend wurde vor allem Clemens Meyer 2006 mit seinem eindrucksvollen Debütroman „Als wir träumten“ bekannt und porträtierte damit die Wendezeit.

Die Chronik der Buchstadt Leipzig

1475

Zwei Buchhändler aus Basel und Ulm schlossen anlässlich der Herbstmesse ein Buchgeschäft ab. Das war der Beginn des Buchhandels in Leipzig.

1481

Im Auftrag der Dominikaner druckte der Wanderdrucker Marcus Brandis das erste Buch in Leipzig mit beweglichen Lettern. Es handelte sich um die lateinische Schrift „Glosse in Apocalypsi“.

1485

Konrad Kachelofen war der erste in Leipzig sesshafte Drucker. Sein erster belegbarer Druck ist auf 1485 datiert.

1493

Es wurde erstmals eine „Buchmesse“ durchgeführt, zu der auch auswärtige Buchhändler in Leipzig eintrafen.

1499

Melchior Lotterübernahm die Druckerei von Konrad Kachelofen. Einen großen Einfluss auf seine Tätigkeit übte Martin Luther aus, der während der Leipziger Disputation bei ihm wohnte. Nach 1517 druckte er u.a. Luthers 95 Thesen im       Plakatdruck.

1543

Caspar Borner legte den Grundstein für die Universitätsbibliothek. Es gelang ihm, Bücher der aufgelösten Klöster zu sichern.

1599

Henning Groß publizierte den ersten Buchmessekatalog.

1682

Mit der „Acta Eruditorum“ begründete Otto Mencke die erste deutsche Gelehrtenzeitung.

1701

Es erschien das erste Leipziger Adressbuch „Das ietzlebende Leipzig“, zugleich das erste seiner Art in Deutschland.

1825

Der Börsenverein Deutscher Buchhändler zu Leipzig wurde am 30.04. gegründet.

1867

Mit Goethes „Faust“ erschien am 10.11. das erste Taschenbuch in Reclams Universalbibliothek

1887

Die Buchhändler-Lehranstalt wurde offiziell am 29.04. eröffnet.

1927

Die erste Internationale Buchkunstausstellung (iba) wurde auf Initiative von Hugo Steiner-Prag vom 28.5.-30.9. durchgeführt.

1948

Das Buchhaus Leipzig öffnete als zentrale Einrichtung des DDR Versandbuchhandels

1991

Erstmals wurde im Rahmen der Buchmesse „Leipzig liest“, Europas größtes Lesefest, veranstaltet.

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Andreas Schmidt

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