Mit Izabela Kaldunska im Wachzustand träumen

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© www.pkfotografie.com, Philipp Kirschner
Leipzig Travel
12. Dezember 2024

In unserer Rubrik #MeinLeipzig stellen wir euch Locals vor, die schon eine Weile in Leipzig leben und in dieser Stadt ihre Wahlheimat gefunden haben. Am Anfang stellen wir ihnen fünf Standardfragen zu #MeinemLeipzig, danach sprechen wir darüber, was sie hier Spannendes machen. Heute ist Izabela Kałduńska dran – eine Geigerin aus Gdańsk, die trotz ihres jungen Alters schon eine Sinfonie komponierte und ihr erstes Album aufnahm. Wie ist Izabelas #MeinLeipzig? Viel Spaß beim Lesen!

Fünf Fragen an Izabela Kaldunska

Dein Leipzig und guter Kaffee?

Am besten bei mir zu Hause. Am liebsten mag ich klassischen Kaffee aus einer italienischen Espressokanne mit Sojamilch und Honig

Dein Leipzig und Fahrrad?

Fahrrad fahren ist ein großes Thema für mich – ich liebe es, in Leipzig mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Neulich habe ich mir endlich ein ordentliches Rennrad gekauft. Ein Teil meiner Arbeit ist auch Privatunterricht. Da kann ich mit dem Fahrrad direkt zu den Studenten nach Hause fahren. Ich bin täglich mindestens zwei Stunden unterwegs. Ich fahre gern zur Arbeit, mag es aber auch sehr abends ziellos vor mich hin zu radeln - oder an den Cospudener See. Das ist mein Leipziger Fahrradklassiker.

Dein Leipzig und Kultur?

Ich liebe die ganzen kleinen Orte auf der Eisenbahnstraße im Leipziger Osten. Sie bedeuten mir viel, denn dort hatten wir sowohl mit meinem Projekt The New Solarism als auch mit meiner Band Herje Mine Auftritte. Je mehr underground desto besser. Und sicherlich Horns Erben. Dort spielte ich z. B. mit der polnischen Pianistin Hania Rani, mit Emily’s Giant und vielen anderen.

Dein Leipzig und Architektur?

Ein Gebäude, das immer in meiner unmittelbaren Nähe war, weil die Hochschule gleich um die Ecke ist, ist das Bundesverwaltungsgericht. Es ist sehr beeindruckend und so perfekt in seiner klassischen Erscheinung, dass ich mich immer freue, es zu sehen oder daran vorbeizugehen. Einmal habe ich dort sogar im goldenen Saal gespielt – und der Raum ist wirklich golden! Meine zweite „Lieblingskategorie“ sind alte, verfallene Gebäude – entweder alte Mietshäuser, die es in Leipzig leider immer weniger gibt, oder alte Fabriken, wie zum Beispiel die Krausefabrik in Anger-Crottendorf.

Und was hörst du gerade?

In letzter Zeit höre ich häufig die polnische Jazzband Immortal Onion. Ebenso empfehlenswert ist Deru. Ich mag elektronische Musik – irgendwie hat sich mein Musikgeschmack von Klassik hin zu Elektro entwickelt.

Izabelas Weg zur Geigerin

Izabela, wie bist du nach Leipzig gekommen?

Ich bin 2009 zum Studium her gekommen. Damals war ich 19 Jahre alt. Ich kannte den hiesigen Professor, Roland Baldini von der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy” Leipzig, der jedes Jahr Musikkurse im polnischen Łańcut leitet. Ich mochte und schätzte ihn sehr, so dass ich irgendwann bei ihm studieren wollte.

Wie sieht so eine Aufnahmeprüfung aus?

Ich kam frisch von der Musikschule in Gdańsk. Ich kann mich erinnern, dass ich „Chaconne” von Bach, „Capriccio” von Paganini, ein Konzert von Sibelius, eins von Mozart und „Phantasie” von Schönberg gespielt hatte. Fünf von uns haben es am Ende geschafft.

Kanntest du Leipzig vorher?

Nein, ich wusste nicht einmal, wo die Stadt liegt! (lacht) Ich war nur einmal vor der Aufnahmeprüfung in Leipzig. Als ich dann ankam, fühlte es sich nach Frühling an, obwohl in Gdańsk noch der Winter herrschte.

Wie sah dein Musikleben in Leipzig aus?

Wenn man studiert, ist man viel mit Konzerten beschäftigt. Irgendwann kommen dann spannende Angebote dazu. Stück für Stück habe ich sie angenommen, und so konnte ich z.B. mit der Jungen Deutschen Philharmonie spielen. Ich hatte nicht einmal Zeit, mir Gedanken darüber zu machen, ob ich in Leipzig bleiben möchte, weil die ganze Zeit neue Projekte auf mich warteten. Später bekam ich dann einen Praktikumsplatz in der Staatskapelle Halle. Ich konnte das erste Mal in einem professionellen Orchester spielen. Es war eine Vollzeitstelle und ich habe gelernt, was es heißt, professionell Musik zu machen. Nach zwei Jahren stellte ich fest, dass das nicht mein Lebensweg ist. Ich hatte andere musikalische Interessen und wollte mir selbst aussuchen, was ich mache und was nicht.

Für welchen Weg hast du dich entschieden?

Mir wurde klar, dass das Spielen in einem Orchester nicht mein Lebensziel ist. Eine Kommilitonin hat mich gefragt, ob ich Lust hätte, Balkanmusik zu machen. Diese Musik hat mich immer angesprochen – sie ist authentisch, kommt von Herzen und fließt sofort in die Seele. Ich habe dann angefangen mit der Balkanband Herje Mine zu spielen. Die erste Probe war sehr lustig, familiär und entspannt. Wir spielten zwar Rhythmen, die ich mir erst angewöhnen musste, aber nach ein paar Monaten war es okay. Nach jedem Konzert bekamen wir neue Anfragen und in diesem Sommer hätten wir sogar auf zwei größeren Festivals, dem FOLKLORUM und dem Rudolstadt Festival, spielen sollen. Leider wurde aber Letzteres wegen Corona abgesagt.

Du hast ja auch mittlerweile noch ein Soloprojekt. Willst du uns davon noch etwas mehr erzählen? 

The New Solarism ist das Ergebnis aller Musikströmungen, mit denen ich bisher zu tun hatte. Es stecken viele klassische Einflüsse, aber auch Gegenwartsmusik darin. Als ich klein war, habe ich es immer gemocht, meine eigene Musik zu spielen. Je mehr ich jedoch in Orchestern spielte, desto mehr ist diese Lust in Vergessenheit geraten. Zum Glück kam sie wieder, als ich Jazzgeige im Nebenfach bei Thomas Prokein studierte. Thomas hat mir die Loop Station gezeigt und hat mich in die Welt der Improvisation eingeführt. Er hat mir beigebracht, dass ich keine Angst davor oder eigenen Kompositionen haben soll. Herje Mine hat mir ebenso geholfen, denn dort haben wir auch viel improvisiert. Wenn man eine Band hat, kann man Konzerte oft schlecht planen, weil jeder seinen eigenen Alltag hat und es schwer ist, alle unter einen Hut zu bekommen. Da dachte ich, dass ich ein eigenes Projekt brauche, das von keinem anderen außer mir selbst abhängig ist.

Wie bist du auf den Namen The New Solarism gekommen?

Der Titel ist reiner Zufall – mit meinen anderen Projekten haben wir einfach nach Namen gesucht. The New Solarism hat mich berührt. Wortwörtlich ist es eine Theorie über die Entstehung der Sonne. Ich dachte, es könnte dem Zuhörer helfen, seine Phantasie anzuregen. Ich will nichts erklären – es soll dem Hörer einen Impuls geben, über Sachen nachzudenken. Genau wie jedes Musikstück in meinem Album auch. Man soll sich irgendwo auf einer Ebene zwischen Träumen und Wachzustand bewegen.

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