Dort wo einst Arbeiterinnen Baumwolle zu Garn verarbeiteten, schwingen heute Leipziger Künstler wie Neo Rauch ihre Pinsel. Bei Verborgenes Leipzig erfahrt ihr wie die ehemalige Baumwollspinnerei in Neulindenau zu einem riesigen Kunstareal geworden ist.
Fährt man die Spinnereistraße entlang, sieht man die großen Schornsteine schon von weitem. Sie thronen auf massiven roten Backsteingebäuden. Die gigantischen Ausmaße des Geländes lassen sich jedoch nur schwer begreifen. Auf 100 000 Quadratmetern stehen 20 Einzelgebäude. Von der alten Fabrikstadt sind neben den vier ehemaligen großen Spinnereien, heute die Hallen 7, 14, 18 und 20, weitere 16 einstige Funktionsgebäude übrig.

In der Halle 20 drehte sich 1884 zum ersten Mal das Spinnrad. Zuvor wurden Baumwollgarne vor allem aus England und der Schweiz importiert. Der Bedarf war jedoch enorm und somit höchste Zeit selbst zu produzieren. In Leipzig waren die Voraussetzungen gut: niedrige Löhne und längere Arbeitszeiten als in England. Klar, dass es nicht lange bei den anfänglich fünf Spinnstühlen blieb. Neue Gebäude, Arbeiterwohnungen und sogar eine Schule kamen hinzu. Nach nur 25 Jahren war die Leipziger Fabrik zur größten Baumwollspinnerei Kontinentaleuropas geworden.

Der große Einbruch kam mit den beiden Weltkriegen. Zwar hielt sich die Zerstörung nach dem zweiten Weltkrieg in Grenzen. Doch die Reparationsforderungen waren enorm und führten dazu, dass die Hälfte der Maschinen abgebaut und verkauft wurden. Hunger und Armut dominierten den Alltag der Arbeiter und so kam die Produktion nur sehr schleppend in Gang.

An alte Erfolge konnte die Baumwollspinnerei nie anknüpfen. 1989 arbeiteten noch etwa 1650 Menschen in den Fabrikhallen. Nach dem Fall der Mauer und der deutschen Wiedervereinigung wurde zwar noch weiterproduziert. 1993 war jedoch Schluß. Während in den noch betrieblich genutzten Hallen langsam das Licht ausging, passierte Spannendes in den leerstehenden Räumen ein paar Türen weiter. Neo Rauch war einer der ersten Leipziger Künstler, die sich ein Atelier in den Fabrikgemäuern einrichteten. Rosa Loy, Tilo Baumgärtel, David Schnell und viele weitere Künstler der neuen Leipziger Schule folgten ihm. Leinwände und Pinsel ersetzten Spindeln und schwere Maschinen.

Ab 2001 sanierten die heutigen Eigentümer die ehemalige Baumwollspinnerei. Der alte Staub musste aus den Fabrikhallen weichen und Platz machen für Neues. Ziel war es, die Kunst-und Kreativszene in dem einstigen Industriegebiet zu fördern und Raum für innovative Projekte zu schaffen. Am 1. Mai 2005 fand die Eröffnung der Galerien statt. Die alte Fabrik beherbergt seitdem hundert Künstlerateliers, elf Galerien, Werkstätten, Architekten, Designer, Schmuck- und Modemacher, der Künstlerbedarf «boesner», die Theaterspielstätte «Residenz», ein internationales Tanz- und Choreografiezentrum, Druckereien, das Künstlerbuch «Lubok», das Kino «LuRu» sowie, nicht zuletzt, die gemeinnützige HALLE 14 und viele andere.

Die Baumwolle machte Platz für Kultur. Seitdem sind zehn Jahre vergangen. Mit gleich zwei kostenlosen Frühjahrsrundgängen läutete die Spinnerei am 1. und 2. Mai ab jeweils 11 Uhr ihr Geburtstagswochenende ein. In diesem Video gibt es ein paar Eindrücke vom Gelände.
Unbedingt vormerken: Der nächste Spinnereirundgang findet am 12. und 13. September statt.
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