Als Jugendlicher bin ich mir meiner Leidenschaft zum Film bewusst geworden und wollte ihr später im Job Ausdruck verleihen. Eigentlich wäre München, wo ich unmittelbar nach der Schule erste Erfahrungen als Regiepraktikant sammelte, ein idealer Ort dafür gewesen. Doch mich zog es nach Leipzig – tauschte deftige Weißwurst gegen Leipziger Lerche, unbezahlbaren Wohnraum gegen erschwingliche Miete und nicht zuletzt konservatives Lebensgefühl gegen breitgefächerte Szene – und ich habe es nie bereut.

Ganz im Gegenteil, seit meinem Studium der Philosophie und Medienwissenschaft im Jahr 2006 ist mir diese dynamische, sich permanent wandelnde Stadt so richtig ans Herz gewachsen und ich genieße das Leben auf der Karli. In der Südvorstadt tobt das Leben: Clubszene reiht sich an veganes Restaurant, urige Kneipe an Dönerladen. An Efes Grillhaus bin ich zur Mittagzeit oft nicht vorbeigekommen, aber auch spät in der Nacht, stellt sich die größte Dönerbude Leipzigs als zuverlässige Nahrungsquelle heraus. Bunte, soziokulturelle Vielfalt, alles Charakteristika der Südvorstadt, wer weiß, wie lange sie noch Bestand haben werden. In der „Tille“ wird bald das letzte Set gespielt. Szeneprägende Kultur geht verloren, neue Mietshäuser entstehen. Die Messestadt insgesamt ist im Wandel und das verdammt schnell.

Ich kann mich noch lebhaft an den Beginn meiner Studienzeit erinnern, als die Universität mitten im Umbruch und nicht vielmehr als der Grundstein des neuen Campus gelegt war. Zahlreiche Vorlesungen und Seminare fanden in zweckmäßig eingerichteten Interimsgebäuden quer über die Stadt verteilt statt. Für uns Studenten war es ein einziges Hin und Her. Mit der Fertigstellung des Campus änderte sich die Situation. Der studentische Alltag spielte sich überwiegend im Stadtzentrum ab. Nur flüchtig konnte ich vom neuen Flair und all den Annehmlichkeiten des Campus profitieren, denn kurz darauf ich bin beim Film gelandet.

Ein Katzensprung von der Innenstadt entfernt befindet sich das Graphische Viertel, das vor langer, langer Zeit zu den wichtigsten Ansiedlungsorten der Medien- und Verlagsindustrie zählte. Heutzutage beheimatet das Viertel mit dem prunkvollen Reclam-Carrée immerhin eine der erfolgreichsten TV-Produktionen Deutschlands. Die Rede ist von SOKO Leipzig, einem Krimiformat, das im kommenden Jahr sein 20-jähriges TV-Jubiläum feiern wird. Produziert wird diese Erfolgsschichte von meinem Arbeitgeber, dem international agierenden Medienkonzern UFA mit Hauptsitz in Potsdam Babelsberg.
Dass die UFA Fiction eine Niederlassung in Leipzig unterhält, war mir zugegebenermaßen erst spät bekannt. Die Geschichte der UFA ist mit der Geschichte des deutschen Films so eng verzahnt, dass sie nicht mehr wegzudenken ist. Vor allem in der Gegenwart schlägt sich die mediale Einflussnahme des Konzerns in einem vielfältigen Portfolio unterschiedlichster Gattungen und Genres nieder. Jüngste Kinoerfolge (z.B. Der Junge muss an die frische Luft), Serien Highlights (Deutschland 83/86 oder Charité) und tägliche Formate (u.a. GZSZ) oder Shows (DSDS) sind nur wenige Beispiele für die Produktionsvielfalt des Unternehmens. Gerade die genannten Serien Highlights feierten ihre Geburtsstunde in Leipzig und in naher Zukunft werden mit Sicherheit weitere Qualitätsformate mit Kooperationspartner und der MDM folgen. Ziel unserer Niederlassung ist es, Leipzig zu einem wichtigen Bestandteil, zu einem Hotspot der Film und TV-Produktionen Mitteldeutschlands zu erheben.

Der Job eines Producers besteht im Allgemeinen darin, kreative und organisatorische Prozesse zu gestalten und zu betreuen. Im Kontext der SOKO sind meine Kollegin Tanya und ich also damit beschäftigt, produktionelle Abläufe aller Stadien zu überwachen und allen Gewerken mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Beispielweise sind wir eng im Austausch mit der Redaktion des ZDF, unserem Auftraggeber; nehmen gemeinsam mit den Autoren auf die Gestaltung des Drehbuches Einfluss, reden mit Regie und Ausstattung über die szenische Umsetzung der Bücher, legen mit dem Komponisten ein musikalisches Konzept fest und überwachen das Sounddesign sowie die Farbgestaltung der Folgen.
Ein weiteres Aufgabengebiet ist die mediale Außendarstellung der SOKO, die als Koordination der Pressearbeit zu verstehen ist und nicht zuletzt Social-Media-Prozesse beinhaltet. Kurzum: Wir sind für die Umsetzung der Serie verantwortlich: angefangen bei der ersten zündenden Idee bis hin zur Auslieferung der fertigen Folge an den Sender. Und die Stadt Leipzig leistet daran einen maßgeblichen Anteil.

Anhand von 20 Jahren fiktiver Krimigeschichte lässt sich Leipzigs Vielfalt und der städtische Wandel exemplarisch nachzeichnen. Wir haben ihn gewissermaßen konserviert, anfangs auf 16-mm-Filmmaterial später hochauflösend auf digitalen Speichermedien. Seit jeher lag uns viel daran, ein leibhaftiges Bild der Stadt abzubilden. Unsere Geschichten spielen daher auch in den unterschiedlichsten Milieus und es gibt wohl kaum ein Fleckchen in Leipzig, an denen ein Kriminalfall noch nicht seinen Anfang oder Ende gefunden hat.

Wir untersuchten Mordfälle im alten maroden Stadtbad, durchforsteten angsteinflößende Katakomben und verwinkelte Schächte des größten Kopfbahnhofs Europas, suchten nach Verdächtigen im verwaisten Bowlingcenter am Wilhelm-Leuschner-Platz und fanden Mordopfer in den riesigen Hallen der einstigen Werkzeugmaschinenfabrik in Wahren, den Pittlerwerken. Wir fischten Wasserleichen aus dem Elsterwehr, ermittelten in Plattenbauten in Grünau und legten Mörder in den dekadentesten Villen in Gohlis das Handwerk. Unsere Kommissare tanzten durch die Clubs und Bars der Stadt, waren Undercover beim WGT und riskierten ihr Leben bei Verfolgungsjagden auf dem Innenstadtring.

Gäbe es Leipzig nicht, gäbe es keine SOKO. Durch ein Fernsehformat habe ich die Stadt mit all ihrer Vielfalt richtig schätzen gelernt.
Toni Heye & Tanya Momella Mallory sind Junior Producer und Producerin bei der UFA Fiction in Leipzig und betreuen die Serie SOKO Leipzig.